Stein Staub Schweiß Spaß Stolz

Stein Staub Schweiß Spaß Stolz. 
Wie Sie im Urlaub einem umbrischen Feldstein ein Lächeln entlocken können, lesen hier

Bildhauerworkshop in der Villa La Rogaia in Umbrien

Es ist ziemlich heiß. Sogar im Schatten unter den Olivenbäumen komme ich ganz schön ins Schwitzen. Den Stein auf der Werkbank vor mir interessiert das nicht. Er harrt seit Äonen gelassen der Dinge.

Wie steht gleich wieder auf einem der Steine die Wolfgang, unser Kursleiter, auf dem großen Grundstück aufgestellt hat ? „Im Leben eines Steins ist der Mensch nur eine Sternschnuppe, die aufleuchtet - und schon wieder verglüht ist.“

Gestern Abend bin ich in La Rogaia angekommen. Ich habe mich für einen Bildhauerworkshop in Umbrien angemeldet. Steine fand ich schon immer toll. Aber daraus etwas zu formen? Ich weiß auch nicht was mich da geritten hat. Eigentlich bin ich ja handwerklich nicht sonderlich begabt. Na gut, ich hab schon mal getöpfert. Aber das hier ist doch etwas anderes. Das merke ich jetzt schon, obwohl ich noch gar nicht richtig angefangen habe. Nach dem Frühstück hab ich mir zusammen mit den anderen Kursteilnehmern – die meisten davon Frauen - auf dem Feld einen Sandsteinbrocken ausgesucht. Wolfgang hat uns erklärt, auf was wir dabei achten müssen. Keine Risse, nicht zu klein, nicht zu dünn… Irgendwie sollte uns der Stein ansprechen. Mein Gott, wie spricht ein Stein? Und ins Auto soll er ja auch noch passen.

Einige von uns haben schon ganz klare Vorstellungen, wie ihre Skulptur aussehen soll. Ich nicht. Wolfgang hat uns bereits die Bildhauerwerkzeuge gezeigt und erklärt, wie man sie benutzt. Fäustel, Klüpfel, Spitzeisen, Zahneisen, Beizeisen … lauter exotische Namen. Jeder von uns hat ein Set davon bekommen und einen Arbeitstisch. Meiner steht jetzt im Olivenhain. In der großen Werkstatt ist es kühler aber dafür ist hier die Aussicht fantastisch. Unser Kursleiter kommt und fragt, ob ich mich schon für ein Motiv entschieden habe. Gestern bei der abendlichen Vorstellungsrunde hatte er sich schon erkundigt, was wir gerne machen wollten. Aber ich war noch unentschieden. Offensichtlich traut Wolfgang uns mehr zu als wir uns selbst. Um es gleich vorweg zu nehmen, er hatte recht.

Der Stein vor mir ist oval, an den Ecken leicht abgerundet. Eigentlich würde ich gern ein Gesicht machen, aber das ist wohl zu schwierig. In der Schule habe ich ganz gut gezeichnet, aber das war schon vor einer Ewigkeit. Jetzt trau ich mich nicht mehr. Wenn ich Wolfgang sage, was ich gerne machen möchte, lacht er mich betsimmt aus. Ich sage es trotzdem. Es kostet mich einige Überwindung, aber mir fällt ehrlich gesagt auch nichts Besseres ein. Wolfgang lacht nicht. Er denkt kurz nach und meint, dass wir es schon probieren könnten. Dann kramt er ein Stück roter Kreide aus den Tiefen seiner Hosentaschen und fängt an, auf den Stein zu zeichnen. Zuerst ein Kreuz: die waagrechte Linie von Augenwinkel zu Augenwinkel, erklärt er, und die senkrechte vom Scheitel bis zum Kinn. Außerdem Nasenspitze, Nasenwurzel, Haaransatz und noch vage die Gesichtskonturen. Dann macht er mir vor, wie ich von der Nase ausgehend den Stein abschlagen muss, und meint schließlich, ich solle es jetzt selbst probieren.

Also los, Hammer, nein Fäustel heißt das ja, in die Rechte. Spitzeisen? In die Linke. Zu meiner Überraschung funktioniert es. Steinstückchen splittern ab. Zuerst nur winzig, aber mit zunehmender Übung immer größere. Nach einer Stunde mache ich Pause. Ich hab mir kein einziges Mal auf die Finger gehauen, wie zunächst befürchtet. Dafür tun mir die Arme weh und Durst habe ich auch. Ein paar von den anderen Kursteilnehmern kommen vorbei. „Da kann man ja schon richtig was erkennen!“ meint eine. „Ein Gesicht, das ist ja toll.“ eine andere. Ich bin noch nicht so überzeugt aber ihr Lob spornt mich an. Auch unser Lehrmeister scheint zufrieden. Ich fürchte, heute Abend werde ich Muskelkater haben, aber das schreckt mich jetzt nicht mehr. Ich merke, wie eine Art künstlerisches Fieber mich langsam packt. Ran an den Stein!

Die Tage des Kurses vergehen schnell und trotzdem langsam und ruhig. Steine klopfen als Meditation. Nicht schlecht. Auch weil sich durch die ungewohnte körperliche Arbeit abends bei mir schnell eine angenehme Bettschwere einstellt. Vor allem nachdem ich den Steinstaub mit ein paar Gläschen Vino Rosso weggespült habe...

Am Ende der Woche blickt mich ein noch nicht ganz fertiges, aber rätselhaft lächelndes Gesicht aus meinem Stein an. Mir ist, als hätte es schon immer in diesem Stein geschlummert, und ich kann es kaum glauben, dass ich es bin, der dieses Lächeln ans Licht gebracht hat !