San Galgano

Ein Winterausflug in die Toskana

San Galgano
San Galgano

Die Abtei San Galgano wurde im 12. Jahrhundert von Zisterziensermönchen erbaut und liegt mitten in einer kleinen Ebene, umringt von dicht mit Eichenwäldern bedeckten Hügeln. Nach einer kurzen Blütezeit von nur hundert Jahren wurde die Abtei verlassen und verfiel immer mehr. Heute steht nur noch die imposante Ruine eine der ehemals größten gotischen Kirchen Italiens. Sic transit gloria …

In der späten Nachmittagssonne gehen wir die Zypressenallee auf die in warmem Rot leuchtenden Mauern zu. Durch die Spitzbogenfenster fallen schräg die Sonnenstrahlen. Die Ornamente zaubern nicht Schatten, sondern Lichtrosetten auf die Wände.

Und außerhalb der Fenster Ausschnitte eines Baumes, einer Wiese, einer Kirche auf einem Hügel. Ganz ungefiltert dringt die Welt in diese Kirche ein. Und es riecht in ihr nach Welt, nach Erde und nach Feuchtigkeit von den Feldern ringsum, nach Wärme auf alten Steinen, nach dem Holzfeuer, das im nahegelegenen Wirtshaus angezündet wird und das fast wie Weihrauch duftet.

Der Blick geht nach oben, dorthin, wo er sich in Kirchen ja wenden soll. Und da ist nur der blaue Himmel mit schnell ziehenden Wolken, sonst nichts. Der Blick hinauf zum Höchsten ist ganz frei.

Als wir aus der Kirche hinaustreten, hat sich der Himmel in tausend Schattierungen von rosa bis flammend orange verfärbt. Die Hügel werden dunkler, die Zypressen zu schwarzen Pinselstrichen, das Gras nimmt ein unwirkliches Weiß an, als würde Nebel aus ihm aufsteigen.

Ich erinnere mich an einen langen Sommer in Siena, vor vielen Jahren, als ich an der Ausländeruniversität Italienisch studierte. An heiße Tage, an denen ich mit meiner Vespa durch die sonnenglühende Landschaft fuhr, die Luft voller Pinienduft. Und an einen Abend in San Galgano, ein Konzert mit Musik von Nino Rota, als der Mond langsam hinter der Apsis aufging und sein Licht erst durch das große runde Ostfenster und schließlich von oben auf uns warf, zu den Klängen der einsamen Trompete von „La Strada“. Damals dachte ich: „Mehr Italien geht nicht“. Und heute wurde mir wieder einmal klar, warum ich mir dieses Land zum Leben ausgesucht habe.

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